Nach einer windigen Nacht wachen wir früh auf. Lange wird es den Zeltplatz Breitehorn des Berliner Camping Clubs nicht mehr geben. Nach dieser Saison ist Schluß. Der Stadtrat entzieht dem malerischen Platz direkt an der Havel die Nutzungserlaubnis. Schade um diese kleine Idyll zwischen Kladow und Gatow. Wir radeln durch das gute alte West-Berlin. Immer an der Havel entlang. Hier steht Villa an Villa, dazwischen die gepflegten Vereinsanlagen der Segel- und Rudervereine.
Wir frühstücken auf einer Bank im Grimmnitzpark und radeln dann weiter immer an der Havel entlang durch den Bezirk Spandau. Hier an der Havel wird gebaut. Auf ehemaligen industriell genutzte Flächen werden teurere Wohnanlagen am Wasser errichtet. Der Havelradweg verläuft auf dem Gebiet Berlins zum Teil auf der gleichen Trasse wie der Mauerradweg. Bald sind wir am Grenzturm Niederneuendorf. Es ist einer der letzten verbliebenen Wachttürme der DDR im ehemaligen Grenzabschnitt Berlin. Im Turm schauen wir uns eine Ausstellung zur Geschichte der Grenzsicherung an.
Immer weiter an der Havel entlang. In Henningsdorf baut Bombardier Züge. Auf der Ruppiner Str. überqueren wir die Havel und radeln in das Wassergewinnugsgebiet der Berliner Wasserbetriebe. Hier wird Havelwasser versickert und dann als Trinkwasser aufbereitet. Der Radweg führt durch ein ausgedehntes Waldgebiet nach Birkenwerder. Das ehemalige Bauerdorf ist heute ein verschlafener Wohnplatz der Stadt Berlin. im Zentrum, in dem wir vergeblich eine Bäcker suchen, erinnert eine Gedenkstätte an Clara Zetkin, die lange in Birkenwerder lebte. Kurz nach Birkenwerder überfällt uns der Hunger. Auf einer Bank im Wald gibt es eine Brotzeit.
Oranienburg. Das Stadtschloß im holländischen Stil wurde für die Kurfürstin von Brandenburg Frau Louise Henriette von Oranien erbaut. Der Schloßpark zur Landesgartenschau 2009 wiederhergestellt. Leider ist das weitläufige Gelände von einem Zaum umgeben. Es wird Eintriit erhoben und wir verzichten daher auf einen Besuch, auch weil wir nicht wissen, wo wir die Räder abstellen sollen.
1933 wurde in Oranienburg das erste Konzentrationslager Preussens in einer alten Brauerei im Stadtzentrum angelegt. Drei Jahre später errichtete man an Stadtrand das KZ Sachsenhausen. Wir fahren mit den Rädern zum diesem unsäglichen Ort der deutschen Geschichte und stellen diese an der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen ab.
200.000 Häftlinge aus etwa 40 Ländern wurden hier interniert, gefoltert und getötet. Zehntausende kamen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit und Misshandlungen ums Leben. Die ersten systematischen Vernichtungsaktionen fanden genau hier statt. Der erste große KZ-Komplex von SS-Architekten unweit von Berlin errichtet war ein Musterlager. Hier wurde die SS zum Einsatz in anderen Konzentrationlagern "geschult". Auf dem riesige Gelände, auf dem heute nur noch wenige Baracken zur Erinnerung stehen ist das Leid und das unermäßliche Unrecht mit Händen greifbar.
Am meisten verstört uns die Nähe des Lagers zur Stadt. Kaum verläßt man das Lagergelände, stehen dort schicke Häuser einstmals für die Kommandanten erbaut und heute von Oranienburgern bewohnt. Möge mir doch bitte nie wieder das Märchen erzählen, die Deutschen hätte von all dem nichts gewußt. Was für eine infame Lüge, mit der damals wie heute versucht wird, die Schuld abzuwälzen. Aber diese Schuld lässt sich nicht vergessen machen. Wir müssen uns der Geschichte stellen. Wir müssen uns erinnern. Und wir müssen uns gewahr sein:
NIE WIEDER. KEIN VERGESSEN. KEIN VERGEEBEN.
Als wir das Konzentratzionslager verlassen sind wir sprachlos. Wir radeln zurück an die Havel. Durch ein großes naturbelassenes Waldgebiet der Oberen Havelniederung radeln wir nach Liebenwalde. Am Vosskanal überqueren wir einen Zugbrücke im Holländischen Stil. Direkt hinter der Zugbrücke wurde in der Schleuse und Marina ein Rastplatz für Wasserwanderer angelegt. Aber wir als Radfahrer sind mit unserem Zelt herzlich willkommen. Es gibt Wohnmobilstellplätze und eine Zeltwiese. In einem nacheliegenden Gebäude finden sich Sanitäranlagen, schnelles WLAN und ein Kiosk mit Fischbrötchen und kaltem Bier.
Die GPX-Dateien des Tracks von Berlin nach Liebenwalde gibt es als GPX- und KML-Datei zum Download.
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