Unser zweiter Tag in Kalkutta. Schon am frühen Morgen liegt ein grauer Schleier über der Stadt. Die Sonne dringt nicht durch den Smog. Nach einem Frühstück im Hotel fahren wir mit dem klimatisierten Bus AC24 in den Stadtteil Kalighat. Hier steht ein wichtiges hinduistisches Pilgerziel. Der Tempel der Göttin Kali. Die schwarze Kali ist die Göttin des Todes und der Zerstörung. Das weibliche Pedant zu Shiva steht aber auch für Erneuerung. Im Volksglauben der Hindus ist Kali eine der wenigen Göttinnen, die Wünsche erfüllen kann.
Auf dem Weg von der Haltestelle zum Tempel die üblichen Shops: Opfergaben, bunte Plastikarmreifen und grell-bunte Götterskulpturen aus Plastik dominieren das Angebot. An der Straße sind noch die Bambusstangen vom Durga-Festival zu sehen. Arbeiter sind damit beschäftigt, diese abzubauen. Aber das ist nicht ganz klar. Es könnten auch schon die Aufbauten für das nächste religiöse Fest sein. Am 7. November wird in diesem Jahr das Lichtfest Divali gefeiert. Riesige Werbetafeln überbieten sich darin, die Kunden mit Angeboten für das hinduistische Weihnachten zu ködern.
Bevor wir den recht kleinen Tempel betreten, laufen wir zunächst einmal drum herum. An der Rückseite werden wir Zeuge eines grausamen Rituals. Hier und in einer kleinen Kapelle im Tempel werden Ziegen geopfert. Die kleinen, ausnahmslos schwarzen Ziegen werden geschmückt und von Frauen auf den Tod verbereitet. Ein blutiges Schauspiel. Den Ziegen werden auf einer Art Guillotine mit Macheten die Köpfen abgeschlagen. Die kleine Ziegenköpfe kullern durch die Gegend und das Blut ergießt sich auf die Straße und wird dann von den Straßenkötern aufgeleckt.
Im Tempel selbst herrscht Fotografieverbot. Der Andrang ist so groß, daß wir das Abbild der schwarzen Kali nicht sehen können. Die Gläubigen stehen dicht gedrängt in langen Schlangen mit ihren Opfergaben und warten auf Einlaß. Allerdings kein Vergleich zu den Menschenmassen am Kashi-Vishwanath-Tempel in Varanasi. Rund um den Tempel ein Gewirr von Gassen mit weiteren skurilen Angeboten für die Pilger.
Die Straßen sind mit Müll verschmutzt. In diesem Unrat liegen schlafende Menschen und Hunde. Kinder spielen. Unweit des Tempel gibt es einen stinkenden schwarzen Wasserlauf, den Tolly Canal. Hier wird gebadet. Aus dem giftigen Schlamm werden Kugeln geformt, die dann an die Pilger zum Orakel lesen verscherbelt werden. Was ein absurder Hokuspokus. Am Tempel gibt es ein Gebäude der Mutter-Theresa-Stiftung in dem Armenspeisungen stattfinden. Der Zutritt wird uns verwehrt. Zwischen Zwölf und Zwei ist Mittagspause.
Mit der U-Bahn wechseln wir dann den Stadtteil. Chinatown ist unser Ziel. In wenigen Minuten spuckt uns die Tube an der Station Central aus. Das ehemalige Chinatown ist heute ein muslimisch geprägtes Viertel. Chinesen leben hier nicht mehr. Auf den Straßen findet sich aber das gleiche Elend wie in Kalighat. Gestern habe ich noch geschrieben, daß es in Kolkota keine Laufrikschas mehr gibt. Das stimmt so nicht. Hier in Chinatown bieten Rikschawallas ihre Dienste an. Trotz müder Beine verzichten wir auf diesen Dienst und laufen weiter zu Fuß durch die Straßen Richtung Howrah-Brücke.
Zu Füßen des Wahrzeichen der Stadt gibt es einen Blumenmarkt. Anders als bei uns werden hier nur die Blüten, oft in langen Ketten auf Band gezogen, zum Verkauf angeboten. Leider macht nun die Kamera schlapp. Der Akku ist leer und ich muß nun mit dem Smartphone fotografieren. HInter dem Blumenmarkt führt eine kleine Treppe für Fußgänger auf die Brücke. Die Stahlfachwerkkonstrukion verbindet Kallkutta mit der Millionenstadt Howrah (deutsch Haora) am westlichen Ufer des Ganges. Mit über einer halben Millionen Fußgängern pro Tag gilt die Brücke als eine der verkehrsreichsten der Welt.
Auf der anderen Seite befindet sich die Hohraw Railway Station, der ursprüngliche Kopfbahnhof der Stadt Kolkata, einer der größten und verkehrsreichsten Bahnhöfe Indiens. Für uns geht es mit der Fähre zurück über den Strom. Unmittelbar am Bahnhof gibt es einen Fähranleger und für 10 Rupien pro Person kann man zum Babughat auf die andere Seite fahren. Wir ergattern einen Sitzplatz auf Holzbänken und merken wie anstrengend die Stadt ist. Die Hölle auf Erden.
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