Es ist kurz nach eins in der Nacht als wir hundemüde das Lord Vishnu Guesthouse direkt am Ganges erreichen. Unser Zug aus Agra hat gut 3 Stunden Verspätung und wir müssen auch noch 40 Minuten mit dem Tuktuk ins Zentrum von Varanasi fahren, da wir am Eisenbahnknotenpunkt Mughalsarai ankommen. Die letzten Meter zum Gästehaus laufen wir. Die Straßen in der Altstadt sind einfach zu eng für den motorisierten Verkehr. Wir setzen uns noch kurz auf den Balkon und fallen dann in die Betten.
Am nächsten Morgen wachen wir mit dem ersten Sonnenstrahl auf. In der Stadt des Lichts geht die Sonne über dem Ganges auf. In diesem Monsun hat es viel geregnet und der Ganges führte Hochwasser. Die Treppen der Ghats sind jetzt nach Ende des Monsuns zum Teil meterhoch mit Schlamm bedeckt. Das Laufen am Fluss ist ein ständiges Treppauf und -ab, da einige Passagen am Wasser noch nicht begehbar sind. Nun wird Schlamm mit Wasserschläuchen zurück in den Strom gespült.
Am heiligen Fluss baden die Gläubigen, die Lebenden feiern Puja, Bootsbesitzer bieten ihre Dienste an und Schlepper versuchen Touristen, um einige Rupien zu erleichtern. An den Burning Ghats werden die Toten verbrannt. In Varanasi gibt es zwei dieser Burning Ghats. An den Verbrennungsstätten gibt es Hospize für die Sterbenden. Die Leichen können in Krematorien verbrannt werden. Das kostet etwa 600 Rupien. Das traditionelle Verbrennen der Leichen auf großem Holzfeuern direkt am Fluss ist wesentlich teurer. Die etwa dreistündige Zeremonie kostet mit 7000 Rupien mehr als das Zehnfache. Nicht verbrannt werden Menschen mit Schlangenbissen, Kinder bis zu sieben Jahre, Schwangere, Behinderte, Saddhus, also heilige Männer, und Kühe. Diese Leichen werden in die Mitte des Ganges gefahren, mit Steinen beschwert und versenkt.
Zurück laufen wir durch die engen Gassen der Altstadt. Hier ist es schattig und dadurch etwas kühler. Es gibt keine hupenden Tuk Tuks und Autos. Ab und an nervt ein Motorrad. Überall gibt es Lassishops, Snacks wie Dosai, Vadai und andere Spezialitäten werden in unzähligen kleinen Shops am Straßenrand angeboten. Es gibt viele kleine Restaurants und bunte Graffitis auf den Wänden werben für Gästehäuser, Hotels und Yogastudios. Am nächsten Morgen stehen wir noch vor Sonnenaufgang auf. Wir laufen am Ganges zum Assi Ghat. Hier feiern die Menschen jeden Morgen eine Zeremonie und machen gemeinsam Yoga. Das kann sich Anke natürlich nicht entgehen lassen. Ich trinke Chai, genieße die friedvolle Atmosphäre und fotografiere.
Nach dem Frühstück wollen wir dann zum Kashi-Vishvanath-Tempel. Der goldene Tempel gilt als einer der wichtigsten Shiva-Tempel des Landes. Um Einlass in das Allerheiligste zu bekommen, stehen die Pilger in langen Schlangen an den vier Toren bis zu 48 Stunden an. Touristen haben es einfacher. Am Gate 1 gibt es für sie die Möglichkeit den Tempel zu besichtigen. Allerdings muss man sich mit seinem Reisepass registrieren lassen. Ohne die Registrierung bekommt man keinen Einlass. Unsere Reisepässe liegen natürlich im Hotel. Ein Satz mit X.
Zum Sonnenuntergang setzen wir uns auf eines der vielen Boote und schippern ein gutes Stündchen über den Ganges. Vom Wasser hat man noch einmal einen vollkommen anderen Blick auf die Stadt. Als wir wieder anlanden ist es Dunkel und die allabendliche Puja-Zeremonie beginnen. Tausende von Menschen sitzen auf den Treppen oder in Booten und verfolgen den religiösen Hokuspokus. Und wenn die Inder eines richtig drauf haben, dann ist das religiöse Tohuwabohu mit allem erdenklichen Schnickschnack: Muschelhörner blasen, Pfauenfedern wedeln, brennende Weihnachtsbäume schwenken, viel Rauch und Nebel. Da wird nichts ausgelassen, was den werten Zuschauer oder Gläubigen beeindruckt. Und der quittiert es mit gezückten Smartphones und Live-Übertragung via WhatsApp an die Lieben daheim. Hinduismus 2018.
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