Nach genau 365 Tagen ist das Abenteuer zu Ende. Es ist seltsam. Als ich am Montag aus der U-Bahnstation Stadthaus aussteige, ist es ein bisschen so, als hätte ich ich Dortmund gar nicht verlassen. Alles so wie immer. Nach so vielen unbekannten Menschen plötzlich wieder bekannte Gesichter. Around the World in a year so lautete auch der Hashtag auf Twitter und Facebook. Und als Statistik-Nerd habe ich ein paar Daten zur Reise ausgewertet. In aller Kürze: 365 Tage, 19 Länder, 82.000 Kilometer, 16 SIM-Karten, 20.000 Fotos und 275 Blogbeiträge.
Es waren 16 Länder, in die wir reisen durften. Zählt man Nepal, Uruguay und Brasilien dazu, wo wir jeweils nur einen Tag verbracht haben, waren es insgesamt sogar 19 Länder. Am 2. Juli begann der Trip um die Welt mit einem Flug nach Georgien. Das kleine Land im Kaukasus befindet sich geografisch bereits in Asien, kulturell ist es aber Europa zugehörig. Der Balkon Europas. Ein Balkon liegt außerhalb gehört aber unzweifelhaft zur Wohnung dazu. Hier begann unsere Reise in 365 Tagen um die Welt. Mit dem Nachtzug ging es dann nach Baku in Aserbaidschan, wo wir daran scheiterten, mit dem Schiff das Kaspische Meer zu überqueren.
Von Kasachstan nahmen wir einen weiteren Nachtzug nach Nukus in Usbekistan, wo wir uns knapp zwei Wochen aufhielten. Auf den Spuren von Marco Polo auf der Seidenstraße war die Idee bei der Planung der Reiseroute und in der Rückschau betrachtet, war Zentralasien eine Region, die ich mit Sicherheit noch einmal besuchen möchte. Die Eisenbahninfrastruktur ist aufgrund der sovietischen Vergangenheit gut ausgebaut. Mit einem Zug fuhren wir dann aus der usbekischen Hauptstadt Tashkent nach Osh in Kirgisien. Das touristisch wenig erschlossene Bergland begrüßte uns mit freundlichen Menschen und einer fantastischen Natur. Der große Markt aus Seecontainern in der Hauptstadt Bischkek war einer der skurrilsten Attraktionen auf der Reise. Ebenso wir die naturbelassenen Landschaften in der kirgischen Bergen und die nicht enden wollenden Busfahrt von Karakol nach Kegen in Kasachstan. Nach fast einer Woche im lebenswerten Almaty verpaßten wir fast das Flugzeug. Es gab keinen Nachtbus zum Flughafen.
Am 2. September kamen wir dann in Dehli an. Indien legt immer noch eine Schüppe drauf. In jeder Beziehung. Es ist voller. Es ist lauter. Es ist dreckiger. Die Menschen sind liebenswerter. Und als ich mit Brechdurchfall auf dem Bahnhof in Old Dehli auf die Gleise kotzen mußte, war ich nach über 30 Jahren wieder in Indien angekommen. Das E-Visa mit einer Gültigkeit von 60 Tagen erlaubte uns natürlich nur ein Bruchteil des riesigen Landes zu sehen. Rajastan, die heiligen Orte Varanasi und Bodhgaya und die Naturlandschaften auf der Flußinsel Majuli und die lebenden Brücken in den Khasi-Mountains waren absolute Highlights auf der Reise. Zum Schluß dann Kalkutta, welches die Ambivalenz Indiens auf den Punkt bringt. Hell on earth und City of Joy. Als Reisender ist man froh, endlich das Drecksloch Indien zu verlassen und bedauert dann im gleichen Moment, das man nicht mehr dort ist.
Das Bedauern hielt sich in Grenzen. Der Grund: das pulsierende Bangkok mit seiner fantastischer Küche. Die Stadt ist nicht von ungefähr eine der meistbesuchten Metropolen der Welt. Die Thais sind freundlich und verstehen es, dem Reisenden alle Wünsche von den Lippen abzulesen. Thailand ist im Gegensatz zu Indien modern und gut organisiert. In Koh Phayam dann der erste Strand und das Eintauchen in die andamanische See. Wären da nicht die riesigen Quallen gewesen. Yogjakarta. Kulturelles Zentrum Javas. Lebens- und liebenswerte Universitätsstadt mit langer Geschichte. Ein Ort, an dem man längere Zeit verbringen möchte. Das gilt allgemein für den Inselstaat Indonesien. Das auf dem pazifischen Feuerring gelegene Land bietet Vulkane, Strände, skurile Etnien und Unterwasserparadiese. Auf der Insel Flores bildeten wir eine Reisegemeinschaft mit Bastian, Lai und Tan, chinesische Malaysier auf Honeymoon, die uns kurz drauf in ihrer Heimatstadt Malakka herzlich willkommen hießen.
Und dann waren wir in Neuseeland. Ohne Zelt. Das hatte die Behörden aufgrund von Erdspuren am Zeltboden einhalten. Kulturschock. Auckland. Erste Welt mit entsprechenden Preisen. Zwei kleine Bierchen für 30 neuseeländische Dollar. Mit dem Mietwagen durften wir über die Insel fahren und Anke hat uns sicher durch den Linksverkehr chauffiert. Richtig Urlaub in der einmaligen Landschaft am Ende der Welt. Die schönsten Strände der Reise, eine einzigartige Vegatation und britische Höflichkeit prägen die Erinnerung an den Inselstaat. Wenn das Land doch nicht so unendlich weit entfernt wäre.
Von Auckland über die Datumsgrenze nach Santiago de Chile. Und dann immer weiter in den Süden. Mit der Navimag-Fähre ans Ende der Welt. Pinguine an der Magellan-Straße und das besondere Licht Patagoniens. Wir wandern in Torres del Paine, zelten mit Saskia und Uli und staunen ungläubig über den Gletscher Perito Moreno. In Buenos Aires halten wir inne. In der argentischen Hauptstadt bewundern wir die Menschen, die sich trotz ewiger Wirtschaftskrise und horrender Inflation behaupten. Fußball und Tango. Tango und Fußball. An den Wasserfällen von Iguazu brennt fast das Apartment ab. Aber wir haben Glück und außer einer dicken, schwarzen Rußschicht im gesamten Zimmer bleiben wir unversehrt.
Drei Wochen in über 3500 Meter Höhe. Altiplano. Die Höhe macht mir zu schaffen. Ich kann nachts kaum schlafen. Die Salzseen und die rosa Flamingos entschädigen. Das Dach der Reise liegt bei gut 5000 Metern im Süden Boliviens. Innovativer Nahverkehr mit Seilbahnen in La Paz und Baden im Titicacasee. Und langsam werden wir müde vom Reisen. So schön die Wasserfäälle auch sind, wir haben Iguazu gesehen. Alle vier Tage den Rucksack packen und weiterreisen ist sehr anstrengend. Wir haben in 160 verschiedenen Hostels, in Zügen, Flughäfen und auf Campingplätzen übernachtet und als wir Kolumbien, mit dem Boot auf dem größten Strom der Erde, erreichen sind wir wirklich müde. Und auch zwei Wochen an der Karibikküste in einem der artenreichsten Länder dieses Planeten reichen nicht den Akku wieder aufzuladen. Das schaffen dann Birgit und Arnie. Als wir in Cleveland, Tennessee eintreffen, erwarten Gastfreundschaft und Herzlichkeit. Ein vorbereitetes Gästezimmer und der Luxus von Klimaanlage und eigenen Badezimmer. Die USA zeigen sich wie erwartet gespalten. Hinterwäldlerisch und alle Vorurteile bestätigend auf der einen Seite, modern, aufgeschlossen und progressiv auf der anderen Seite.
Wir hatten uns zuvor vorgenommen, wenn möglich auf das Flugzeug zu verzichten. Das klappte leider nicht. Fast 60% der über 82.000 zurückgelegten Kilometer legten wir mit dem Flugzeug zurück. Wir bestiegen während des vergangenen Jahres 25 Mal das Flugzeug. Zum Teil, weil es nicht anders möglich war und keine alternativen Verkehrmittel zur Verfügung standen, zum anderen Teil auch aus Bequemlichkeit. Im Südamerika hatten wir ursprünglich vor, alle Strecken mit Bus oder Bahn zu bewältigen. Angesichts der riesigen Distanzen und des damit verbundenen Zeitaufwands haben wir diesen Plan nach einer 26-stündigen Busfahrt von El Chalten nach Bariloche aufgegeben und haben, das häufig nicht viel teurere, Flugzeug genutzt. Da gibt es nichts zu beschönigen. Den ökologischen Fußabdruck, den man mit einer solchen Reise hinterläßt, ist gigantisch und im Grunde unveranwortlich. Ein Dilemma. Einerseits kann ich nur raten, die Welt und die Menschen dieser Welt kennenzulernen. Andererseits führt ein solcher Umgang mit unseren Resourcen immer weiter in die Klimakatastrophe.
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